Der Fall
Die spätere Insolvenzschuldnerin, eine GmbH, hatte von dem Gläubiger ein Darlehen erhalten. Die Parteien hatten einen Rangrücktritt vereinbart. Dieser lautete:
„Die Gläubigerin tritt mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung des Nominalbetrages und ihrem Anspruch auf Zinszahlung dergestalt im Rang hinter die Forderungen aller bestehenden und künftigen Gläubiger der Schuldnerin zurück, dass sie erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und, soweit ein Liquidationsüberschuss oder ein die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigendes Vermögen der Gesellschaft hierfür zur Verfügung steht, nur zu gleich mit, im Rang jedoch vor den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter der Schuldnerin Erfüllung dieser Ansprüche verlangen kann. Der Nachrang gilt auch im Insolvenzverfahren. Der Rangrücktritt gilt nur, solange und soweit durch eine teilweise oder vollständige Befriedigung des im Rang zurückgetretenen Anspruchs der Gläubigerin eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne der Schuldnerin entsteht oder zu entstehen droht.“
In einem Zeitraum von drei Monaten, währenddessen der Schuldnerin bereits die Insolvenzreife drohte, hat der Gläubiger Zinszahlungen im sechsstelligen Bereich erhalten.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter Erstattung dieses Betrages verlangt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 05.03.2015 – IX ZR 133/14)
Der Bundesgerichtshof hat diesen Sachverhalt zum Anlass dazu genommen, einige höchst praxisrelevante Fragestellungen im Zusammenhang mit Rangrücktritten zu klären.
Bei einer juristischen Person ist neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Um zu ermitteln, ob eine Überschuldung vorliegt, muss eine sogenannte Überschuldungsbilanz aufgestellt werden. In einer solchen sind Darlehensrückzahlungsansprüche zu passivieren. Führt eine solche Berücksichtigung des Darlehensrückzahlungsanspruchs zu einer Überschuldung, besteht die Möglichkeit, dass ein Rangrücktritt erklärt wird. Sind die hieran zu stellenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, kann der Darlehensrückzahlungsanspruch aus der Überschuldungsbilanz eliminiert werden. Dies kann zur Beseitigung der Überschuldung führen. Das Organ der juristischen Person ist dann nicht dazu verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.
§ 19 Abs. 2 InsO spricht im Zusammenhang mit dem möglichen Rangrücktritt lediglich von Gesellschafterdarlehen. Bislang war streitig, ob § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO auf außenstehende Dritte anwendbar ist. Gerade bei sogenannten hybriden Finanzierungen sind die Kapitalgeber meistens nicht Gesellschafter. Der BGH hat eine analoge Anwendung der vorgenannten Norm nunmehr bejaht und insoweit Rechtssicherheit geschaffen.
Des Weiteren war bislang nicht geklärt, welche Voraussetzungen für die Bejahung eines wirksamen Rangrücktritts erfüllt sein müssen. Unstreitig ist, dass zwischen dem Gesellschafter bzw. außenstehenden Gläubiger und dem Schuldner gem. § 39 Abs. 2 InsO ausdrücklich ein Nachrang für das eröffnete Insolvenzverfahren vereinbart werden muss. Dies hat zur Folge, dass der Gläubiger bei der Verteilung der Insolvenzmasse erst nach den sogenannten Insolvenzgläubigern berücksichtig wird. Streitig war hingegen, ob darüber hinaus eine sogenannte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vereinbart werden muss. Eine solche hat zur Folge, dass die Ansprüche des Gläubigers bereits in der Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens während einer Krise der Gesellschaft nicht bedient werden dürfen. Der BGH hat nun geklärt, dass die Vereinbarung einer solchen zusätzlichen Durchsetzungssperre Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung des Darlehensrückzahlungsanspruchs in der Überschuldungsbilanz ist.
Schließlich hat der BGH auch geklärt, welche Konsequenzen es hat, wenn sich Gläubiger und Schuldner nicht im Einklang mit der Rangrücktrittsvereinbarung verhalten. Dieses beinhaltet ein rechtsgeschäftliches Zahlungsverbot. Mit anderen Worten ist die Schuldnerin bei drohender Insolvenzreife nicht dazu verpflichtet, Zins- und Tilgungszahlungen zu entrichten. Wird hiergegen verstoßen, hat die Schuldnerin gegen den Gläubiger einen Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Daneben greift in einem solchen Fall darüber hinaus auch eine Anfechtung nach § 134 InsO (sogenannte Schenkungsanfechtung) durch.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Parteien in der Krise der Gesellschaft den Rangrücktritt einvernehmlich aufheben können, um die vorstehend beschriebenen Konsequenzen zu vermeiden. Dem hat der BGH eine klare Absage erteilt. Er hebt zutreffend hervor, dass die Rangrücktrittsvereinbarung letztlich dem Schutz der Gläubiger dient und daher als sogenannter Vertrag zugunsten Dritter zu qualifizieren ist.
Bezogen auf den konkreten Sachverhalt hat der BGH den zwischen den Parteien vereinbarten Rangrücktritt dahingehend ausgelegt, dass eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vereinbart wurde. Sofern der Insolvenzschuldnerin daher zum Zeitpunkt der Zinszahlungen bereits die Zahlungsunfähigkeit und / oder Überschuldung drohte, waren die erhaltenen Zinszahlungen daher vom Darlehensgläubiger zu erstatten. Zur Klärung dieser Sachverhaltsfrage wurde der Fall dann an das zuständige OLG zurückverwiesen.
Fazit
Die nun erfolgte Klärung durch den BGH ist uneingeschränkt zu begrüßen. Die Praxis erhält klare Vorgaben, wie Rangrücktritte künftig formuliert werden müssen.
Der Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft muss im eigenen Interesse sicherstellen, dass die vom BGH aufgestellten Anforderungen erfüllt sind. Enthält ein Rangrücktritt beispielsweise nicht die geforderte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, so ist ein Darlehensrückzahlungsanspruch in der Überschuldungsbilanz zu passivieren. Wird dies verkannt, kann eine längerfristige, unbewusste Insolvenzverschleppung die Folge sein. Dies wiederum hat für den Geschäftsleiter scharfe zivilrechtliche und gegebenenfalls auch strafrechtliche Sanktionen zur Folge.
Ein Kapitalgeber, welcher mit seinem Schuldner einen Rangrücktritt vereinbart hat, hat sich bei Empfang von Zins- und Tilgungszahlungen über die Liquiditäts- und Vermögenssituation des Schuldners zu unterrichten. Droht diesem die Insolvenzreife, sind gleichwohl erhaltene Zahlungen zu erstatten. Ein solcher Erstattungsanspruch wäre selbstverständlich auch in einer Überschuldungsbilanz des Kapitalgebers zu passivieren. Wird dies verkannt, kann es daher auch bei diesem zu einer unbewussten Insolvenzverschleppung kommen.