Der Fall
Der Gesellschafter einer GmbH hatte aus Sicht seiner Mitgesellschafter einen Wettbewerbsverstoß begangen. Die Mitgesellschafter haben daraufhin in einer Gesellschafterversammlung beschlossen, dass der Geschäftsanteil des aus ihrer Sicht vertragsbrüchigen Gesellschafters eingezogen wird. Weitere Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit dem Einziehungsbeschluss nicht ergriffen. Der betroffene Gesellschafter erhebt sodann eine Klage mit dem Ziel, den fraglichen Einziehungsbeschluss für nichtig zu erklären.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 02.12.2014 – II ZR 322/13)
Seit dem in Krafttreten des MoMiG im Jahr 2008 ist in § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG bestimmt, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmen muss. Um eine solche Konvergenz herzustellen, stehen den Gesellschaftern verschiedene Wege zur Auswahl. So ist es zunächst möglich, die Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter schlicht aufzustocken. Dies ist ohne notarielle Beurkundung möglich. Probleme können hier allerdings entstehen, wenn die Aufstockung „zu krummen“ Beträgen führt. Weiter haben die Gesellschafter die Möglichkeit, einen neuen Geschäftsanteil zu bilden. Dieser wird dann automatisch durch die Gesellschaft selbst erworben, ohne dass hierfür weitere Umsetzungsschritte erforderlich wären. Auch insofern ist keine notarielle Beurkundung erforderlich. Schließlich besteht die Möglichkeit einer Kapitalherabsetzung. Eine solche ist indes zeitaufwendig und mit vielen Nachteilen verbunden. Verfügt die GmbH lediglich über das Mindeststammkapital in Höhe von € 25.000,00 ist dieser Weg von vornherein nicht gangbar.
Nachdem im vorliegenden Fall die Gesellschafter solche Maßnahmen nicht ergriffen hatten, unterschritt nunmehr die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile das Stammkapital. Es stellte sich die Frage, welche Konsequenz dies hat. Gewichtige Stimmen in der Literatur sowie das OLG München vertraten die Auffassung, dass die Divergenz eine Nichtigkeit des Einziehungsbeschluss zur Folge hat. Hätte sich der BGH dieser Auffassung angeschlossen, hätte er der Klage ohne Weiteres stattgeben können.
Der BGH hat nun allerdings – wie zuvor bereits das OLG Rostock – entschieden, dass eine entsprechende Divergenz keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses hat. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung hing die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses dann insbesondere noch weiter davon ab, ob das dem betroffenen Gesellschafter angelastete Fehlverhalten einen wichtigen Grund für eine Einziehung darstellt.
Fazit
Der BGH sieht das Auseinanderfallen der Summe der Nennwerte der Geschäftsanteile und des Stammkapitals nach einer Einziehung als bloßen „Schönheitsfehler“ an, der keine rechtliche Konsequenzen hat. Diese Entscheidung bringt für die Praxis Rechtssicherheit. Sofern ein Gesellschafter wegen gravierender Pflichtverletzungen aus der Gesellschaft entfernt werden soll, ist üblicherweise große Eile geboten. Durch die Entscheidung des BGH wird es den verbleibenden Gesellschaftern nun ermöglicht, zunächst keine Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen. Diese können nun zunächst isoliert den Einziehungsbeschluss fassen und abwarten, ob dieser den etwaigen Angriffen des ausscheidenden Gesellschafters standhält. Sofern dies feststeht, kann dann in Ruhe überlegt werden, welche der vorstehend beschriebenen drei Anpassungsmaßnahmen strategisch am sinnvollsten ist.