11.04.2014

Dienstwagen: Entzug der Nutzungsmöglichkeit nur zum Monatsende

Der Fall

Die Arbeitnehmerin ist im Außendienst tätig. Der Arbeitgeber stellt ihr einen Dienstwagen zur Verfügung, der auch privat genutzt werden kann. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass der Arbeitgeber zum entschädigungslosen Widerruf der Dienstwagenüberlassung berechtigt ist, sofern der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Als die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2009 kündigt, verlangt der Arbeitgeber zum 09.06.2009 die Rückgabe des Dienstwagens. Die Arbeitnehmerin erhebt hierauf Zahlungsklage wegen Nutzungsausfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

 

Die Entscheidung des Bundearbeitsgerichts (BAG v. 21.03.2012 – 5 AZR 651/10)

Das BAG hält die Klage für begründet. Der Arbeitnehmerin steht ein Schadensersatzanspruch auf Nutzungsausfallenschädigung zu, der entsprechend der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises des Fahrzeuges anzusetzen ist. Der im Arbeitsvertrag vereinbarte Widerrufsvorbehalt genügt zwar den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB, da die Gründe für einen möglichen Widerruf angegeben sind und die zu widerrufende Leistung nicht mehr als 25 % des regelmäßigen Verdienstes beträgt. Der Arbeitgeber hat sein Widerrufsrecht im konkreten Fall jedoch nicht nach billigem Ermessen ausgeübt. Mit Ausnahme des Umstands, dass der Dienstwagen vorrangig zum Besuch bei Kundenunternehmen gedacht war, hat der Arbeitgeber keine Gründe vorgetragen, warum der Entzug des Fahrzeuges nach der Freistellung erforderlich war. Für die Arbeitnehmerin war der Dienstwagen ihr einziger Pkw. Sie war zudem nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verpflichtet, die private Nutzung für den gesamten Monat Juni 2009 zu versteuern, obwohl sie über den Wagen nach dessen Rückgabe 22 Tage lang nicht mehr verfügen konnte. Der Entzug führte damit nicht nur zu einem faktischen Nutzungsausfall, sondern darüber hinaus auch zu einer spürbaren Minderung ihres Nettoeinkommens, da der steuerlichen Belastung kein Gegenwert mehr gegenüber stand. Das Interesse der Arbeitnehmerin, den von ihr zu versteuernden Vorteil auch real nutzen zu können, überwiegt das abstrakte Interesse des Arbeitgebers am sofortigen Entzug des Dienstwagens.

 

Fazit

Ohne eine wirksame Widerrufsklausel im Dienstwagenüberlassungsvertrag kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Dienstwagen von vornherein nicht entziehen, ohne hierfür eine Entschädigung leisten zu müssen. Vorliegend genügte die vom Arbeitgeber verwendete Klausel den formellen und materiellen Vorgaben des BAG. Der aufgrund einer wirksamen Klausel erklärte Widerruf des Arbeitgebers wird in einem zweiten Schritt dann jedoch noch einer Ausübungskontrolle (§ 315 BGB) unterzogen. Hierbei ist danach zu

fragen, ob die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Im vorliegenden Fall wirkte sich die Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitgebers aus. Ob der Entzug der Nutzungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber letztlich wirksam ist und daher keine Schadensersatzverpflichtung nach sich zieht, ist mithin stets eine Frage des Einzelfalles.