Der Fall
Der Arbeitnehmer vereinbart mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag. Darin wird u. a. geregelt, dass der Arbeitnehmer mit Beendigung der Altersteilzeit eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes auf der Grundlage des anwendbaren Tarifvertrags über Altersteilzeit erhält. Des Weiteren ist geregelt, dass darüber hinaus gehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bestehen. Nach der Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses verlangt der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Zahlung einer zusätzlichen Abfindung, die der Arbeitgeber im Rahmen einer betrieblichen Übung allen Beschäftigten mit mindestens 15-jähriger Betriebszugehörigkeit unabhängig von den tariflichen Vorschriften gewährt. Der Arbeitgeber beruft sich auf die vereinbarte Abgeltungsklausel.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 21.06.2011 – 9 AZR 203/10)
Nach Auffassung des BAG steht dem Arbeitnehmer ein zusätzlicher Abfindungsanspruch aus betrieblicher Übung zu. Die von den Parteien getroffene Vereinbarung, dass neben der vertraglich festgelegten Abfindung keine weiteren Ansprüche des Arbeitnehmers auf Abfindungs- oder Ausgleichszahlung bestehen, ist nach § 307 Abs. 1 Blatt 1 BGB unwirksam. Sie steht dem Anspruch des Arbeitnehmers daher nicht entgegen. Die Ausgleichsklausel ist einer Inhaltskontrolle nicht entzogen. Sie stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung dar. Dazu gehören auch anerkannte, ungeschriebene Rechtsgrundsätze und Prinzipien, insbesondere das im Schuldrecht verankerte und anerkannte Äquivalenzprinzip. Es dient dazu, das ursprünglich von den Parteien festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu erhalten. Dieses Gleichgewicht wird durch einen einseitigen Anspruchsverzicht gestört. Die vereinbarte Abgeltungsklausel erschwert einseitig zulasten des Arbeitnehmers die Durchsetzung von Ansprüchen, sie führt sogar zu einem völligen Anspruchsverlust, ohne dass dem Arbeitnehmer hierfür eine Gegenleistung zusteht. Dies widerspricht dem Grundsatz der ausgewogenen Vertragsgestaltung. Der vereinbarte Altersteilzeitarbeitsvertrag gewährt einen entsprechenden Ausgleich nicht. Er verweist lediglich deklaratorisch auf die tariflichen Abfindungsvorschriften. Die Belange des Arbeitnehmers werden dadurch nicht angemessen berücksichtigt. Auch wenn sich die Klausel ausdrücklich auf Abfindungs- und abfindungsähnliche Ansprüche bezieht, benennt sie den streitgegenständlichen Anspruch aus betrieblicher Übung nicht. Es handelt sich somit nicht um einen Fall, in dem ein Arbeitnehmer einseitig dem Arbeitgeber einen bestimmten Anspruch nach seiner Entstehung erlässt. Es existieren auch keine Besonderheiten im Arbeitsrecht i. S. von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die die fragliche Vertragsgestaltung rechtfertigen könnten.
Fazit
Diese Entscheidung des BAG überrascht nicht. So hatte dieses bereits im Jahr 2005 entschieden, dass eine im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist, die nur einseitig zulasten des Arbeitnehmers wirkt, der Klauselkontrolle nicht standhält. Vorliegend wäre zugunsten des Arbeitgebers zu entscheiden gewesen, wenn eine Abgeltungsklausel verwandt worden wäre, wonach sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten sein sollen oder wenn eindeutig formuliert worden wäre, dass der Arbeitnehmer auf den auf der betrieblichen Übung beruhenden Abfindungsanspruch verzichtet.