13.06.2014

Annahmeverzug: Muss der Arbeitnehmer eine vertragswidrige Prozessbeschäftigung annehmen?

Vorbemerkung

Viele Kündigungsschutzprozesse enden mit einem Vergleich, im Rahmen dessen sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. Entgegen einer landläufigen Meinung hat der gekündigte Arbeitnehmer indes keinen Anspruch auf eine solche Abfindung. Der Arbeitgeber sieht sich vielmehr zur Zahlung genötigt, da er andernfalls im Falle eines Prozessverlustes über einen längeren Zeitraum hinweg sog. Annahmeverzugsvergütung an den Arbeitnehmer zu zahlen hat. Geht ein Verfahren in die zweite Instanz ist es mithin möglich, dass der Arbeitgeber beispielsweise für volle 18 Monate das Bruttogehalt nachentrichten muss, obwohl er im Gegenzug keine Arbeitsleistung erhalten hat. Arbeitsrichter weisen auch regelmäßig auf diese Drohkulisse hin, um den Abschluss eines Vergleichs zu befördern. Eine Reaktionsmöglichkeit des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer eine sog. Prozessbeschäftigung anzubieten. Während der Dauer der Prozessbeschäftigung hat der Arbeitgeber selbstverständlich ebenfalls das vereinbarte Entgelt zu entrichten. Im Gegenzug erhält er hierfür allerdings auch die vertragsgemäße Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Ernsthaft in Betracht kommt eine Prozessbeschäftigung allerdings meist nur in Fällen einer personenbedingten Kündigung. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist eine Prozessbeschäftigung dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht zumutbar. Bei einer betriebsbedingten Kündigung beruft sich der Arbeitgeber gerade darauf, dass jede Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfallen ist. Mit dem Angebot einer Prozessbeschäftigung würde er sich hierzu in Widerspruch setzen. Eine Prozessbeschäftigung muss zwingend schriftlich vereinbart werden. Ohne Einhaltung der Schriftform würde nämlich ein neues, unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen. 

Der Fall

Der als Hausmeister beschäftigte Arbeitnehmer wehrt sich im April 2007 erfolgreich gerichtlich gegen eine Versetzung in die Abteilung Wohnumfeldpflege. Im Mai 2008 kündigt die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis wegen Dauererkrankung zum 31.12.2008. Nach der Genesung bietet sie dem Arbeitnehmer als Prozessbeschäftigung eine Arbeit in der Wohnumfeldpflege zu sonst unveränderten Bedingungen an. Der Arbeitnehmer verlangt die Beschäftigung als Hausmeister und nimmt die andere Arbeit nicht auf, da sie ihm unzumutbar sei und es an dringenden Gründen für diese vertragswidrige Beschäftigung fehle. Die Kündigungsschutzklage ist erfolgreich. Die Parteien streiten nun über die Annahmeverzugsvergütung und die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs. 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 564/10)

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin war erfolgreich. Auf den Annahmeverzugslohn muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 Satz 1 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz anrechnen lassen, was er bei der Arbeitgeberin zu verdienen böswillig unterlassen hat. Die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege ist dem Arbeitnehmer zumutbar. Die andere Beschäftigungsmöglichkeit kann auch beim bisherigen Arbeitgeber bestehen. Wie § 615 Satz 2 BGB erfasst auch § 11 Satz 1 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz den Fall, dass der Arbeitgeber eine vertragswidrige Arbeit anbietet. Das Bestehen dringender Gründe für ein solches Angebot ist nur Voraussetzung für böswilliges Unterlassen i. S. von § 615 Satz 2 BGB im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis. Für die Obliegenheit des Arbeitnehmers nach § 11 Satz 1 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz im gekündigten Arbeitsverhältnis ist der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch hingegen ohne Belang. 

Fazit

Insbesondere in Fällen der personenbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber sein Annahmeverzugsrisiko durch das Angebot einer Prozessbeschäftigung ausschließen. Im Falle eines Prozessverlustes treten keine finanziellen Nachteile ein. Es besteht insbesondere auch die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer eine vertragswidrige Tätigkeit anzubieten. Diese muss allerdings selbstverständlich zumutbar sein. Der Arbeitnehmer muss keine Statusverschlechterung hinnehmen und keine wesentlich geringer vergütete Tätigkeit akzeptieren. Ein Arbeitnehmer hingegen sollte eine ihm angebotene Prozessbeschäftigung nicht vorschnell ausschlagen. Es empfiehlt sich vielmehr, zuvor belastbar zu prüfen, ob diese nicht doch zumutbar ist.