04.08.2015

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Entschädigungshöhe nach Ermessen

Der Fall

 

Der Arbeitgeber produziert und vertreibt Futter- und Pflegemittel für Pferde. Der Arbeitnehmer war bei ihm als Vertriebsmitarbeiter angestellt. Er bezog ein Monatsgehalt von € 7.500,00 brutto; die private PKW-Nutzung wurde in Höhe von € 1.089,20 brutto als geldwerter Vorteil bewertet. Im Arbeitsvertrag war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren vorgesehen. Es war weiter bestimmt, dass dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung zu zahlen ist, die in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis dann ordentlich aus betrieblichen Gründen zum 31.08.2010. Der Arbeitnehmer erklärte mit Schreiben vom 31.08.2010, er werde sich an das vertragliche Wettbewerbsverbot halten und erwarte bis zum 15.09.2010 eine Bestätigung, in welcher Höhe der Arbeitgeber die monatliche Karenzentschädigung zahlen werde. Der Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, das Wettbewerbsverbot sei nichtig. Hilfsweise nahm er eine Ermessensausübung vor und teilte mit, es sei allenfalls eine Karenzentschädigung von 20 % des letzten Entgelts angemessen. Der Arbeitnehmer hatte ab November 2010 eine neue Stelle gefunden. Für die Monate September und Oktober 2010 klagte er 50 % seines vormaligen Bruttomonatsgehalts ein.

 

 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 15.01.2014 – 10 AZR 243/13)

 

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Karenzentschädigung im geltend gemachten Umfang. Nur wenn entgegen § 74 Abs. 2 HGB überhaupt keine Karenzentschädigung vorgesehen ist, ist ein vereinbartes Wettbewerbsverbot nichtig. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können dann aus einer solchen Abrede Rechte herleiten. Ist hingegen eine gegenüber der Vorgabe des § 74 Abs. 2 HGB zu niedrige Karenzentschädigung vorgesehen, so ist das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer lediglich unverbindlich. Diesem steht dann ein Wahlrecht zu. Entscheidet er sich für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes, steht ihm ein Anspruch auf Karenzentschädigung zu. Ein entsprechendes Wahlrecht hat der Arbeitnehmer ebenfalls, wenn im Vertrag unklar bleibt, ob die gesetzliche Entschädigungshöhe erreicht wird. Dies war vorliegend der Fall, da die Höhe in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt war. Nachdem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilt hatte, er werde sich an das Wettbewerbsverbot halten, stellte sich daher die Frage, in welcher Höhe nunmehr eine Karenzentschädigung geschuldet ist. Der Arbeitgeber hatte sein Ermessen ausgeübt und die Höhe der Entschädigung auf 20 % der letzten Bezüge festgesetzt. Insofern hat das Bundesarbeitsgericht jedoch deutlich hervorgehoben, dass der Mindestwert des § 74 Abs. 2 HGB nicht unterschritten werden darf, wenn der Arbeitgeber eine Ermessensentscheidung nach § 315 BGB zu treffen hat. Daher konnte der Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % seiner letzten Bezüge verlangen. Der geldwerte Vorteil der privaten PKW-Nutzung ist bei der Ermittlung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen. Diese belief sich daher pro Monat auf € 4.294,60.

 

 

Fazit

 

Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist für den Arbeitgeber die einzig effektive Möglichkeit, sich vor einer Konkurrenz durch seine vormaligen Arbeitnehmer zu schützen. Dieser Schutz wird durch die Verpflichtung erkauft, dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung zu zahlen. Erkennt der Arbeitgeber nach Ende des Arbeitsverhältnisses, dass ihm durch den ausgeschiedenen Mitarbeiter keine Gefahr droht, wird oftmals der Versuch unternommen, sich der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung mit mehr oder weniger überzeugenden Argumenten zu entziehen.