11.09.2014

Insolvenz: Gefahr des Totalverlusts einer vereinbarten Abfindung

Der Fall

Der spätere Kläger und sein Arbeitgeber hatten im Oktober 2007 einen Aufhebungsvertrag zum 31. Dezember 2008 geschlossen. Vorgesehen war darin eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nach mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit in Höhe von € 110.500,-, die mit dem letzten Gehalt, also Ende Dezember 2008, ausgezahlt werden sollte. Anfang Dezember 2008 meldete die Firma Insolvenz an, was die Folge hatte, dass über das Betriebsvermögen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters verfügt werden durfte. Als der Arbeitnehmer die Auszahlung seiner vertraglich vereinbarten Abfindung verlangte, verweigerte der Insolvenzverwalter die Zustimmung. Nachdem der Mitarbeiter mehrfach vergeblich gemahnt hatte, trat er im Frühjahr 2009 vom Aufhebungsvertrag zurück und verlangte sodann Weiterbeschäftigung in dem Unternehmen, in dem der insolvente Betrieb im Wege des Betriebsübergangs inzwischen aufgegangen war. In erster und zweiter Instanz bekam der Arbeitnehmer Recht. 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 357 /10)

Das Bundesarbeitsgericht widersprach den Vorinstanzen und entschied, dass der Arbeitnehmer nicht wirksam vom Aufhebungsvertrag zurücktreten konnte. Der Insolvenzverwalter habe zu Recht die Auszahlung der Abfindung verweigert. Ohne seine Zustimmung habe der Unternehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Abfindungssumme nicht mehr auszahlen dürfen. Weil der Verwalter in der Pflicht ist, das Vermögen des insolventen Unternehmens gleichmäßig auf alle Gläubiger aufzuteilen und deshalb die € 110.500,- Abfindung vom Kläger ohnehin hätte zurückfordern müssen, sei der Abfindungsanspruch nicht durchsetzbar gewesen. Da der Mann das Geld also ohnehin hätte zurückzahlen müssen, widersprach es nach Auffassung des BAG den guten Sitten, die Abfindung überhaupt einzufordern. Die nicht gezahlte Abfindung war damit kein wirksamer Grund, vom Aufhebungsvertrag zurückzutreten, weshalb das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2008 endete. Entsprechend bestand auch kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Nachfolgebetrieb. 

Fazit

Das Urteil zeigt, dass ein gut gemeinter Aufhebungsvertrag nicht unbedingt auch dem Arbeitnehmer zu Gute kommt. Denn ändern sich die Rahmenbedingungen – wie hier durch die Insolvenz des Betriebs -, können einvernehmlich getroffene Vereinbarungen Makulatur werden. Vorsicht ist insbesondere bei Aufhebungsverträgen mit sehr langen Laufzeiten, im vorliegenden Fall mehr als 14 Monate, geboten. Über einen so langen Zeitraum ist das Insolvenzrisiko für Arbeitnehmer in aller Regel nicht beherrschbar. Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst einmal gestellt, muss der Arbeitnehmer nach den Regeln der Insolvenzordnung auf die vereinbarte Abfindung verzichten oder sie zurückerstatten, wenn sie nach dem Insolvenzantrag ausbezahlt wurde. Eine Möglichkeit, dieses Risiko zu minimieren besteht darin, die Abfindung nicht mit dem letzten Monat der Beschäftigung auszubezahlen, sondern (teilweise) früher. Hätte der Aufhebungsvertrag im vorliegenden Fall etwa vorgesehen, die Hälfte der Abfindung Mitte 2008 auszuzahlen, wäre dem Kläger jedenfalls dieser Teilbetrag sicher gewesen. Eine andere Möglichkeit der Absicherung hätte darin bestanden, dass die Hausbank des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer eine selbstschuldnerische Bürgschaft gewährt hätte. Damit hätte die Hausbank das Insolvenzrisiko übernommen. Im Insolvenzfall hätte sich der Arbeitnehmer bei dem Kreditinstitut schadlos halten können.